V. JOSEFSTÄDTER NEUJAHRSKONZERT
6. Jänner 2006
THEATER IN DER JOSEFSTADT
~ TEXTE zum PROGRAMM ~

von Dr. Harald Schlosser

Das Josefstädter Neujahrskonzert 2006 begann - fast schon traditionell - mit einer Komposition des jungen Johann STRAUSS Vater, am Beginn seiner Karriere, den "Josefstädter Tänzen" op. 23.

Im August 1829 erklangen diese Tänze zum ersten Mal bei einem Fest im heute nicht mehr bestehenden Gartenpavillon des alten Theatergebäudes.

Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes, am 7. Jänner 1846 - also fast auf den Tag genau vor 260 Jahren - wandte sich Johann Strauss Vater an den kaiserlichen Hof, und suchte um Verleihung eines Titels an, den es in dieser Form bisher noch nicht gab; Die Ernennung zum "k. k. Hofball-Musik-Director".

Dieses Jubiläum erinnert uns im soeben begonnen Jahr der Erinnerung an den 250 Geburtstag von W. A. Mozart daran, dass die Geschichte des vom Erfolg des Wiener Walzers eigentlich mehr als 30 Jahre vor Strauss begonnen hat.

Seit 1788 hatte Mozart als "k. k- Kammer-Compositeur" Tanzmusik für die Bälle in den Redoutensälen zu liefern, und er hat dies nicht als lästige Pflichtübung empfunden sondern mit Engagement betrieben.

Seine Menuette zeigen bereits deutliche Einflüsse der damaligen bürgerlichen Tanz- und Volksmusik, und die schnelleren Deutschen Tänze können bereits eindeutig dem Typus des Wiener Walzers zugeordnet werden. Der Einfuß der Wiener Volksmusik zeigt sich auch bei der Verwendung von typischen Instrumenten wie zum Beispiel der Drehleier im Trio des Menuetts KV 601/2 mit dem programmatischen Titel "Die Leyerer".

Wir setzten daher das Programm mit einer Auswahl von 7 Tänzen für den Redoutensaal, enstanden im Jänner 1791, fort, und widmen den Rest des ersten Teils dieses "Josefstädter Neujahrskonzertes 2006" den Kompositionen Mozarts in seinen letzten Lebensjahren in Wien.

Zum Terzett KV441 "Liebes Mandel, wo ist's Bandel?" mit einem scherzhaften Text Mozarts ist folgende Entstehungsgeschichte überliefert:

Mozart hatte seiner Frau Konstanze ein neues Band geschenkt, das diese, als sie gemeinsam mit Gottfried, Freiherr von Jacquin eine Spazierfahrt machen sollten, anlegen wollte, aber nicht finden konnte.

Sie rief ihrem Mann zu: "Liebes Mandel, wo ist's Bandel?" der darauf suchen half; auch Jacquin suchte mit und fand das Band. Aber nun wollte er es nicht hergeben, hielt es hoch in die Höhe und da er ein großer Mann war, so bemühte sich das kleine Mozartsche Ehepaar vergebens, es zu erhaschen. Bitten, Schelten und Lachen wurden immer lebhafter, bis zuletzt auch der Hund bellend Jacquin zwischen die Beine fuhr. Da lieferte er das Band aus und meinte, diese Szene sei wohl passend für ein komisches Terzett.

Mozart lies sich das gesagt sein, machte einen Text im Wiener Dialekt, der im allgemeinen an die Situation erinnerte und schickte das Terzett an Jacquin. Er erwähnt es noch in dem Brief an Jacquin aus Prag vom 14. Januar 1787.

La clemenza di Tito entstand als Auftragswerk für die Festivitäten zur Krönung von Kaiser Leopold II. Diese Oper ist Mozarts Nachtstück, das dunkle und düstere Pendant zur Zauberflöte, der optimistischen und hellen Oper im Lichte des Humanismus. Das Stück zerrt uns in die Dunkelheit: 24 Stunden lang verfolgen wir eine Reise in die Nacht zukünftiger Katastrophen, Terroranschläge und Kapitolbrände. Am Ende steht der Herrscher Titus vor dem Trümmerhaufen seiner Gnade, den Überresten einer Herrschaft, der keine Gewalt etwas anhaben kann: einsam, ohne Freunde, ohne Geliebte.

Unter dem Deckmantel einer Huldigungsoper zeichnet Mozart hier das Psychodrama eines modernen, tyrannischen Machthabers - und hält uns noch heute den Spiegel vor. 1791, zwei Jahre nach der Abschaffung der Adelsprivilegien und der Erklärung der Menschenrechte, hat Mozart mit seinem letzten Bühnenwerk ein Endspiel der Aufklärung komponiert: mehr als ein künstlerisches Vermächtnis.

Mozart erwähnt die Prager Aufführungsserie u.A. auch in den Briefen an seine Frau Konstanze, wir finden dort auch Hinweise auf Mozarts kulinarische Beziehungen zur Josefstadt.

Rondò der Vitellia (mit obligatem Bassetthorn) "Non più di fiori":
Vitellia hat sich, nachdem auch Servilia und Annius umsonst um Gnade für den Verurteilten gebeten haben, entschlossen, Titus zu gestehen, dass sie selbst die Tat geplant hat. Als die Verurteilten schon zum Tod geführt werden sollen, fällt sie dem Kaiser zu Füssen und bekennt ihre Schuld.

Arie des Titus "Se all' impero, amici dei":
Titus bedenkt die Sinnlosigkeit eines Herrschertums, das nur auf Tyrannei gegründet ist;

"Se all' impero, amici dei,
e necessarioi un cor severo,
o togliete a me l'impero,
o mi date un altro cor"
"Götter, wenn für die Herrschaft
ein strenges Herz nötig ist,
so befreit mich von der Herrschaft,
oder gebt mir ein anderes Herz".

Carl Maria von Webers 1819 entstandene Klavierkomposition Rondo brillante "Aufforderung zum Tanz" ist eines seiner populärsten Werke mit umfangreicher Aufführungspraxis. Seine dramaturgische Idee einer "musikalischen Tanzdichtung" wird als "erste Poetisierung des Tanzes" geschätzt. Von seiner Klavierfassung gingen mehrere Bearbeitungen aus unter denen sich die von Hector Berioz im Konzertleben durchsetzen konnte.

Berlioz, hatte seine Instrumentation als Balletteinlage für die Pariser Aufführungen des "Freischütz" im Jahre 1841 geschaffen und war ein enger Freund und Förderer der Familie Strauss.

Die Strauss-Kapelle spielte auch höchst erfolgreich zahlreiche Kompositionen von Berlioz bei ihren Wiener Konzerten.

Aus Webers "Freischütz" Szene und Arie der Agathe "Wie nahte mir der Schlummer - Leise, leise, fromme Weise" und danach die Polka schnell op.326 von JOHANN STRAUSS Sohn mit dem Titel "Freikugeln".

Im Sommer 1868 spielte Johann Strauß gemeinsam mit seinen Brüdern Josef und Eduard für die Teilnehmer am großen Bundesfestschießen der internationalen Schützenvereine im Wiener Prater. Am 27. Juli 1868 fand ein großer Ball in der Schützenhalle des Prater statt, für den als Referenz an Webers "Der Freischütz" die Polka schnell "Freikugeln" komponiert worden war und begeistert aufgenommen wurde.

In der "Neuen Musikzeitung" erschien im Jahre 1882 in Leipzig ein Artikel nach dem die Musikanten in sieben Rassen mit verschiedenen Gattungen und Unterabteilungen eingeteilt wurden. Die Namen der Rassen sind:

1. Komponierer,
2. Dirigierer,
3. Klavierer,
4. Streicher,
5. Holzbläser,
6. Blechbläser und
7. Schläger.

Wir wollen annehmen, dass es nicht Boshaftigkeit ist, sondern tiefere wissenschaftliche Gründe hat, wenn der Verfasser dieses Artikels die Gesangsleute hier nicht unter den musikalischen Rassen aufzählt. Hören wir, was dieser Erforscher der Musikantenrassen über die letzten vier Gruppen, aus denen sich das Orchester zusammensetzt, zu sagen hat:

Über die musikalischen Rassen
("Neue Musikzeitung", 1882)

Das 5. Josefstädter Neujahrskonzert endete mit einem Walzer von Josef Strauss - "Geheime Anziehungskräfte - Dynamiden"
Mit dem Untertitel "DYNAMIDEN" erinnert Josef STRAUSS an einen Begriff, den der österreichische Maschinenbauingenieur Ferdinand REDTENBACHER für eine seiner Theorien zum Aufbau der Materie publiziert hatte.

Der Walzer, gewidmet den "industriellen Gesellschaften" für einen Ball im großen Redoutensaal am 30. Jänner 1865, sollte auch die unerforschlichen dynamischen Kräfte der Widmungsträger in ihrem Vereinsleben festhalten.

Dr. Harald Schlosser

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